Belm/Rieste.
Mit 14 Jahren entdeckte Jolina Thormann das Wakeboarden für sich. Seitdem sammelt die Vehrterin einen Titel nach dem anderen. Der Ehrgeiz der jungen Sportlerin ist groß – denn eines Tages will sie die Beste der Welt sein.
Von Andre Pottebaum
NOZ vom 08.06.2019
Foto : Michael Gründel
Mit Vollspeed rauscht Jolina Thormann durch die Kurve, zischt mit ihrem Wakeboard über eine weiße Rampe, ehe sie sich in der Luft rückwärts dreht und wieder ins Wasser platscht. Schwungvoll geht es anschließend weiter, bevor die Vehrterin ihr Board seitwärts im Wasser abstoppt, um sich vom Zugkabel nach oben ziehen zu lassen. „Backroll“, „Raley“ oder auch „Frontflip“ nennen sich die Figuren, die die Wakeboarderin an der Anlage des Riester Alfsees vorführt, und die nicht weniger gefährlich als spektakulär anmuten.
Foto : Michael Gründel
Gezogen wird die junge Sportlerin von einem Wasserskilift, auch Cable genannt, der die Vehrterin mit gut 30 Stundenkilometern durch den Parcours treibt. Die Welle („Wake“), die durch das Ziehen der Sportlerin entsteht, nutzt sie als Absprungrampe, um ihre teils waghalsigen Sprünge vorzuführen. Endstanden ist die Sportart in den 1980er-Jahren als eine Kombination aus Wasserski und Wellenreiten. Doch anders als beim Skifahren steht man hier nur auf einem statt auf zwei Brettern.
Bei Wettkämpfen müssen die Sportler in zwei Durchgängen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen; eine Zeitvorgabe gibt es nicht. Wer beispielsweise im ersten Durchlauf einen Fehler macht, hat im zweiten die Möglichkeit, diesen zu korrigieren. Bewertet werden unter anderem die Variabilität und die Vielseitigkeit der Sprünge. Anderenfalls gibt es Punktabzüge, wenn die Ausführungen unsauber sind oder die Landung misslingt.
Foto : Michael Gründel
Dritte bei der Europameisterschaft
Um ihrem Ziel, einmal die beste Wakeboarderin der Welt zu werden, näher zu kommen, trainiert Thormann mehrmals die Woche auf der Anlage am Alfsee. „Wann immer ich kann, bin ich hier“, sagt die 16-Jährige, die erst 2017 mit dem Sport angefangen hat. Nach einem Wasserskikurs im Urlaub habe sie sich gemeinsam mit ihrem Vater dazu entschieden, aufs Wakeboard zu steigen. „Zum Geburtstag habe ich dann die Teilnahme am Wasserski- und Wakeboardcamp am Alfsee geschenkt bekommen und relativ schnell Fortschritte gemacht“, erinnert sich die Vehrterin. Ihr Talent bleibt nicht verborgen, denn schon nach kurzer Zeit wird der Trainer des Deutschen Wasserski- und Wakeboardverbands auf Thormann aufmerksam. „Er hat mir geraten mich im Verein anzumelden“, sagt die 16-Jährige. Was sie schließlich auch tat – mit großem Erfolg.
Nur wenige Monate nach ihrem Karrierestart sammelt Thormann ihren ersten Titel. Und das, obwohl sich die Schülerin, mangels Teilnehmerinnen in ihrer Altersklasse, in der Regel gegen ältere Konkurrentinnen durchsetzen muss. Im August 2018 wird Thormann Dritte in ihrer Altersklasse bei der Europameisterschaft in Mailand, einen Monat später Deutsche Meisterin bei den U-16-Teilnehmern in Beckum. Dass sie so schnell Erfolge erzielen würde, kam auch für die 16-Jährige unerwartet. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht“, sagt sie. Doch der Ehrgeiz der Wakeboarderin kennt keine Grenzen. „Ich habe mir vorgenommen bei der nächsten Weltmeisterschaft unter die Top 2 zu kommen. Am liebsten würde ich natürlich den ersten Platz belegen“, sagt die junge Sportlerin.
Foto : Michael Gründel
An der Wassersportanlage am Alfsee, wo sich eine von über 70 Cable-Anlagen in Deutschland befindet, bereitet sich Thormann auf ihre Wettkämpfe vor. Auf die Berlin-Brandenburg-Meisterschaft in Zossen oder auf die Landesmeisterschaften in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Auch an der Deutschen Meisterschaft in Wachtendonk (9. bis 11. August) und an der Europameisterschaft in Beckum (10. bis 15. September), will die Schülerin teilnehmen. Trainiert wird mit zwei Coaches, wie sie selbst sagt, und vor allem mit viel Freude. „Mich fasziniert, dass man immer neue Tricks kennenlernen, eine Drehung oder einen Salto mehr machen kann, da bin ich sehr ehrgeizig“, so Thormann, „meistens klappt das ganz gut. Ich lerne sehr schnell – das motiviert mich.“
Sponsoren für Wakeboard und Klamotten
Trotz des Ehrgeizes der jungen Sportlerin bringt das Wakeboarden auch seine Schattenseiten mit sich. Denn im Gegensatz zu anderen Sportarten, ist die Unterstützung von Geldgebern rar gesät. „Ich habe Sponsoren für das Wakeboard und die Klamotten, aber die Wettkämpfe müssen wir – abgesehen von EM und WM – selber finanzieren“, so die 16-Jährige. Die Mittel, die Thormann durch das Sponsoring einnimmt, werden auch benötigt, um die nationalen Wettkämpfe zu finanzieren, wie Vater Sven erklärt. Auch die Zeit zwischen Herbst und Frühjahr, in der keine Wettkämpfe stattfinden können, müsse überbrückt werden oder etwa Vorbereitungs- und Trainingseinheiten, wie im vergangenen Winter, als es eine Woche lang in die Türkei ging.
Foto : Michael Gründel
Hinzu kommt der Aufwand, den Jolinas Eltern betreiben, um die Jugendliche zum Training oder zu Wettkämpfen zu begleiten. „Wenn Jolina nicht gerade bei einer Freundin unterkommen kann, müssen wir sie immer zum Alfsee bringen, manchmal auch zweimal am Tag. Deshalb haben wir seit letztem Jahr auch einen Stellplatz mit einem Wohnwagen. Das lohnt sich schon – dann machen wir hier ein bisschen Urlaub mit“, so Sven Thormann. Um die Eltern in Zukunft zu entlasten, macht Jolina Thormann derzeit ihren Motorrad-Führerschein, damit die 16-Jährige eigenständig zum Alfsee kommen kann.
Sportliches Multitalent, auch abseits des Wakeboards
Dabei dürfte es kaum verwundern, dass sich Thormann ausgerechnet für ein zweirädiges Gefährt entschieden hat – liegt ihr das Adrenalin offensichtlich im Blut. So sehr, dass sie einfach nicht genug bekommt von ihrer täglichen Dosis Sport. „Ich würde gerne noch einen Sport als Ausgleich machen – Trampolin springen zum Beispiel“, sagt Thormann. Erst im vergangenen Jahr versuchte sie ihr Glück bei der TV-Trampolin-Show „Big Bounce“. „Das war sehr cool, auch wenn es leider etwas blöd gelaufen ist und ich früh gescheitert bin. Aber ich habe mich schon für die neue Ausgabe beworben“, so die 16- Jährige. Erst jüngst nahm sie an einer Vorentscheidung des niedersächsischen Wettbewerbs „Spoju-Champions“ teil. Bei den 14- bis 17-jährigen Mädchen war Thormann in 1:23 Minuten die Schnellste, und qualifizierte sich schließlich für das Finale am 16. Juni in Wilhemshaven. Dann dürfte Thormann mal wieder ihr sportliches Talent unter Beweis stellen, wenn es im Hindernis-Parcours um Geschicklichkeit und die ein oder andere waghalsige Flugeinlage geht.
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